Gemeinsam durch die sieben Wochen

Wie die Fastengruppe der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Frankfurt am Main die "7 Wochen Ohne" erlebt. Ein Bericht von 2014

Zusammen ist man weniger alleine - auch in der Fastenzeit. Die Paul-Gerhardt-Gemeinde in Frankfurt-Niederrad ist seit Jahren bei „7 Wochen Ohne“ dabei. Eine Gesprächsgruppe widmet sich dann dem jeweils aktuellen Motto.

Der Fahrplan ist vorgegeben: Immer mittwochs finden in den sieben Wochen vor Ostern die Gesprächsandachten statt. „Mehr als 30 Jahre machen wir das schon“, erinnert sich Heidi Ruppert, Kirchenvorstandsmitglied in der Evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde in Frankfurt am Main-Niederrad. Zu den Passionsandachten trifft sich um 18 Uhr in der kleinen Kirche eine Gruppe von Menschen, von denen etliche diese besonderen Andachten neben dem sonntäglichen Gottesdienst schätzen. Andere, die nicht zu den regelmäßigen Kirchgängern gehören, finden hier etwas, was sie eher anspricht als der traditionelle Gottesdienst, hat Pfarrerin Angelika Detrez festgestellt. Bis zu 30 Personen versammeln sich in einem Stuhlkreis vor dem Altar, um nach einem festen Ablauf für eine halbe Stunde über ein Bild und einen dazu passenden Text nachzudenken.

Mehr Nachdenken gefragt

Dass die traditionellen Andachten mit den Angeboten der Aktion „7 Wochen Ohne“ neue Impulse erfahren haben, dass der Blick in ganz neue Richtungen gelenkt wurde, haben die Vorbereitungsgruppe und die Gemeinde gerne und kreativ angenommen. „Da ging es plötzlich gar nicht mehr um den klassischen Verzicht“, sagt Norbert Hofmann. Der 85-Jährige ist schon lange in der Vorbereitung der Andachten dabei und hat die Weitung des Blicks als angenehm und bereichernd empfunden. Wo früher je nach Neigung auf Schokolade oder Alkohol, auf Gummibärchen oder Fernsehen verzichtet wurde, war mit einem Mal mehr Nachdenken gefragt. Das Thema von 2011, „Sieben Wochen ohne Ausreden“, hat ihm besonders gefallen. „Es war so befreiend formuliert, es ging gar nicht um Schuldzuweisung, sondern ganz frech und mutig darum, sich die Ehrlichkeit zuzutrauen.“ Das hat ihn auch ganz persönlich angesprochen: „Ich habe Aufgeschobenes endlich in Angriff genommen – keine Ausreden mehr, es nicht zu tun.“

Für Uwe Neumann war das Motto des vergangenen Jahres, „Riskier was, Mensch“, „sein“ Thema. „Das war nicht so biblisch fixiert“, sagt er und gibt zu, dass es ihm daher leichter fiel, in den Gesprächsandachten auch einmal das Wort zu ergreifen. Nach dem Ende des Berufslebens neues Selbstbewusstsein erlangen, auch wenn die beruflichen Herausforderungen nicht mehr da sind, – das hat er für sich persönlich mitgenommen.

Das hat was Familiäres“

Dass Menschen sich öffnen und wie Uwe Neumann neue Wege für sich finden können, hat auch mit der Gesprächskultur in der Gemeinde zu tun. „Es gibt ein gutes Vertrauensnetz hier“, sagt Norbert Hofmann. Die 58-jährige Marion Heng drückt es einfacher aus: „Das hat was Familiäres.“

Auch Äußerlichkeiten können da große Bedeutung erlangen. Dass etwa die Teilnehmenden der Andachten im Kreis vor dem Altar und nicht in den Kirchenbänken sitzen, macht das Gespräch leichter. „Man kann den anderen direkt ansprechen und Blickkontakt aufnehmen“ – Norbert Hofmann schätzt das sehr, es ermöglicht ein wirkliches Gespräch.

Und die Bilder? Die Hingucker, die das Team von „Sieben Wochen ohne“ jedes Jahr auswählt, werden von der Vorbereitungsgruppe in der Gemeinde gerne angenommen. „Wir nehmen eigentlich immer ein Foto auf das Cover unseres Kirchenboten“, sagt Angelika Detrez. Und natürlich sind die Bilder auch immer Teil der Andachten. „Manchmal braucht man eine Weile, bis man sie dem Thema zuordnen kann“, meint Norbert Hofmann. Aber gerade das Nachdenken sei ja gewünscht. Und da ist es auch kein Problem, dass nach dem Lesen eines Bibelwortes erst einmal Schweigen in der Runde herrscht. Die Pfarrerin empfindet das als angenehm und verbindend: „Keiner plappert einfach drauf los. Man spürt, dass alle erst einmal nachdenken, was ihnen Bild und Text zu sagen haben, was sie dazu in ihrem eigenen Leben finden.“

Über die Andachten hinaus wirkend

Ins Gespräch kommen – das wirkt auch über die Andachten hinaus in die Gemeinde. „Oft finden auch danach noch angeregte Gespräche statt“, sagt die Pfarrerin. Da zu den Passionsandachten oft Menschen kommen, die sonst eher nicht in der Gemeinde präsent sind, hat manch ein Gespräch dazu geführt, dass Menschen ihrer Kirche wieder näher kommen. „Das wirkt gemeindebildend.“

Und passen Texte und Bilder immer gut in die geplanten Andachten? „Am liebsten sind uns natürlich die Materialien, die auf Gruppen zugeschnitten sind. Aber wenn mal was nicht so ganz unseren Wünschen entspricht, dann passen wir das an“, sagt Kirchenvorsteherin Heidi Ruppert. „Schließlich haben wir ja schon jahrelange Routine in Sachen Passionsandachten.“ Wenn etwa Texte als zu lang für die halbstündige Andacht empfunden werden, wird gekürzt. Jedenfalls ermöglichen nach den Erfahrungen in der Gemeinde die Texte und Bilder der Aktion „Sieben Wochen ohne“ immer mehrere Zugänge zum Thema. Manchen regt das Bibelwort dazu an, über das jeweilige Thema zu reflektieren. Andere fühlen sich von dem Thema angesprochen und finden darüber zur Bibel und entdecken dort den Text, der für ihr Leben anwendbar ist.

So wird es wohl auch mit dem Thema für 2014 sein. „Selber Denken! Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten“ lässt viel Raum: eben zum selber Denken, zum Suchen und Handeln, zum Reden und Bekennen. Norbert Hofmann hat schon ein wenig selber nachgedacht: „Erst denken, dann reden“ sei wichtig. Aber das praktiziert die Gemeinde ja schon seit Jahren.

Lieselotte Wendl