Zweite Fastenmail: „Fürchte dich nicht“

Hanna Lenz

Und die Ägypter jagten ihnen nach, alle Rosse und Wagen des Pharao und seine Reiter und das ganze Heer des Pharao, und holten sie ein, als sie am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon lagerten. Und als der Pharao nahe herankam, hoben die Israeliten ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN und sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast? Haben wir's dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben. Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. (2. Mose 14,9–13)

Liebe Fastengemeinde,

können Sie sich bereits an neuer Zuversicht freuen? Haben Sie bereits Verbündete gegen den Pessimismus gefunden? Ich wünsche es Ihnen sehr, denn es will scheinen, als würden Furcht und Pessimismus in diesen Tagen besonders mächtig und groß werden. Natürlich konnte es niemand ahnen, dass uns ausgerechnet zu dieser Fastenzeit eine Epidemie bedrohen würde, doch passt das Motto gerade erschreckend gut. Das gilt noch einmal besonders für das Wochenmotto „Fürchte dich nicht!“ Zuversicht angesichts des Coronavirus fällt gerade gar nicht leicht. In sämtlichen Nachrichten ist es das erste Thema. Jeder neue Fall ist derzeit eine Meldung wert. Die Angst vor dem Virus baute sich in den letzten Wochen wie eine Welle auf, die man auf sich zukommen sieht. Erst war sie weit entfernt, man konnte nur ahnen, dass sie groß und gefährlich ist. Dann kam sie näher und näher. Man konnte ahnen, dass sie irgendwann brechen würde. Nun sehen wir sie nah, spüren die ersten Spritzer des Wellenkamms. Die Angst wächst.

So ähnlich stehen die Israeliten in unserer Bibelstelle für diese Woche da. Die Ägypter verfolgen sie. Sie waren aus Ägypten geflohen, denn sie hatten weiß Gott Grund genug dafür. Das Volk Israel wurde dort als Bedrohung angesehen, die man bekämpfen und kleinhalten musste. Das Leben in Ägypten war von Unterdrückung, von Sklavenarbeit und direkter Gewalt geprägt. Der Pharao hatte nicht einmal davor zurückgeschreckt, sämtliche männlichen Kinder umbringen zu lassen. Dann war Mose gekommen und hatte das Volk im Namen Gottes zur Flucht aufgefordert. Der Pharao brauchte zehn schreckliche Plagen, bis er verstand, dass er das Volk Israel ziehen lassen musste. Israel verließ die Gefangenschaft in Ägypten. Es ging in die Wüste nach Osten, dem eigenen Land entgegen. Und jetzt stehen sie da und sehen, dass die Ägypter ihnen nachjagen: Wagen, Reiter, das ganze Heer des Pharao. Lange bevor man einzelne Krieger erkennen kann, ist da die Wolke zu erkennen, die durch die riesige Menge der Pferde und Wagen aufgewirbelt wird. Und die Wolke wird immer größer und kommt immer näher.

Die Reaktion der Israeliten ist absolut verständlich. Sie haben Angst und fragen sich, Gott und Mose: „Warum sind wir hier?“ Und sie sehnen sich nach der vermeintlichen Sicherheit Ägyptens zurück. „Lieber als Sklaven leben, als frei in der Wüste zu sterben!“

Ich weiß nicht, wie es Ihnen in diesen Tagen geht, aber angesichts abgesagter Messen und Festlichkeiten habe ich mich am Wochenende auch gefragt, ob ich den Zoobesuch mit meinen Freunden und ihrem Kind nicht absagen sollte. Wir sind gegangen, und es war nicht eben leer dort. Aber dieses Zögern hat mir deutlich gemacht, wie sehr wir angesichts der drohenden Epidemie Zuversicht brauchen. Es ist nicht Mut, der uns schließlich hat in die Öffentlichkeit gehen lassen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns anstecken konnten, war gering. Aber es ist Zuversicht angesichts der nahenden Welle oder Wolke. „Fürchtet euch nicht,“ sagt Mose den Israeliten, „steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird.“ Mose fordert sein Volk auf, nicht wie gebannt auf die herannahende Katastrophe zu starren, sondern den Blick auf das zu richten, was tatsächlich geschehen wird. Wer nur auf die Gefahr sieht, wird gelähmt. Man vergisst sogar, wie bedrohlich die Vergangenheit war. In Ägypten waren die Israeliten nicht einmal in ihren eigenen Häusern ihres Lebens sicher.

Wer in unseren Tagen und in unserem Land das Haus verlässt, kann sich wesentlich sicherer sein, dass ihr oder ihm nicht Schlimmes geschieht. Aber wir sehen die Welle, und sie verunsichert uns. Darum brauchen wir Zuversicht. Es wird unsicherer da draußen. Wir brauchen Zuversicht, dass es sich lohnt, trotzdem hinauszugehen. Wir brauchen die Zuversicht, dass die Begegnung mit anderen Menschen uns mehr bringt, als dass sie uns bedroht. In diesen Tagen der Unsicherheit brauchen wir gemeinsame Gottesdienste dringender denn je. Darum lautet meine Wochenaufgabe heute:

Gehen Sie raus! Ich sollte es eher eine Bitte nennen, denn je weniger Menschen ihre Häuser verlassen, desto größer wird die Angst, und die Zuversicht hat es schwerer und schwerer. Gehen Sie in den Gottesdienst! Wenn Sie lieber niemandem die Hand schütteln möchten, dann lassen Sie es sein.

Und lassen Sie zu, dass Sie über anderes als über Corona nachdenken! Sehen Sie zu, was geschieht! Seien Sie aufmerksam, aber erstarren Sie nicht. Lassen Sie Ihren Blick und Ihre Seele offen sein für einen guten Ausgang. Sammeln Sie „Nahrung“ für Ihre Zuversicht. Schauen Sie hin auf das, was gelingt. Freuen Sie sich an frischer Luft und freundlichen Begegnungen.

Halten Sie Kontakt zueinander, auch über die vielen Medien, die uns zur Verfügung stehen. Nutzen Sie unsere Hashtags #7wochenohne und #zuversicht. Der Wochen-Hashtag lautet natürlich #ohnefurcht.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche, in der Sie viel „Nahrung“ für Ihre Zuversicht sammeln können.

Ihr Frank Muchlinsky

Frank Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de.

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